MÓNICA WAISMAN UND
FLORIAN DEUTER IM GESPRÄCH
Thomas Höft: Harmonie Universelle - das klingt ja fast wie eine gesellschaftliche Utopie. Ist das der Grund für euren Namen?
Monica Waisman: Die erste Idee für diesen Namen entstand tatsächlich so. Aber es steckt noch mehr dahinter. „Harmonie Universelle“ heißt nämlich auch ein musikphilosophisches Traktat von Marin Mersenne aus dem 17. Jahrhundert. Und so kommt beides zusammen: historische Wurzeln und aktuelle Bedeutung. Und ich glaube, das entspricht sehr der Haltung von unserem Ensemble. Florian Deuter: Ein idealer Name. TH: Mersenne beschreibt in seinem Traktat den Zusammenklang zwischen dem großen Ganzen des Universums und den Proportionen in der Musik. Und ihr spielt vor allem alte Musik. Da stellt sich die Frage, wie kann man denn die Botschaften der Vergangenheit in die Gegenwart übertragen? FD: Zuerst einmal ganz allgemein was die Harmonie betrifft: wir haben als internationales Ensemble angefangen. Monica kommt aus Argentinien, ich bin Deutscher, wie hatten noch einen Kanadier und einen Franzosen und einen Italiener dabei ganz am Anfang. Und inzwischen sind es sehr viel mehr Nationen geworden. Und wir haben ganz bewusst so international miteinander gespielt, um zu zeigen, wie Musik Menschen wirklich über kulturelle Grenzen hinweg verbinden kann. Und das ist uns bis heute wirklich sehr wichtig. MW: Unbedingt. Natürlich zum einen aus gesellschaftlichen Gründen. Aber auch aus musikalischen. Persönlichkeiten und Charaktere machen ein Ensemble aus. Selbst wenn man mit einem Dirigenten arbeiten würde, machen unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Ideen den Reiz im Zusammenspiel aus. Und wieviel mehr gilt das für ein Ensemble ohne Dirigenten. Die unterschiedlichen Vorstellungen, die verschiedenen Arten, Musik zu machen, ergänzen sich im Idealfall zu einem unglaublich reichhaltigen Musizieren. TH: Aber ist das nicht auch sehr anstrengend? Ich verrate sicher kein Geheimnis, wenn ich darauf komme, dass ihr beide nicht nur musikalisch, sondern auch persönlich miteinander verbunden seid. Und ihr seid sehr unterschiedlich. Gibt das nicht Spannungen? FD: Ja, auf jeden Fall. Aber diese Spannungen machen es wirklich aus. Denn sie werden gelöst und so kommen wir zu einem reiferen, tieferen musikalischen Ergebnis. Glauben wir jedenfalls. MW: Wir sind sogar sehr unterschiedlich, auch von unserer musikalischen Herkunft, ein wenig Yin und Yang. Also ich bin Argentinierin und habe in den USA studiert, und zwar moderne Violine. Und dann bin ich nach Holland gegangen, und dort habe ich dann erst richtig mit der Barockvioline angefangen. Später haben wir uns dann bei den Musicien du Louvre kennengelernt. FD: Und ich komme aus einer ganz deutschen Musikerfamilie. Und dann hab ich 1986 Musica Antiqua Köln und Reinhard Göbel gehört, und da wusste ich, was ich wollte. So bin ich zur Barockgeige gekommen und mache das jetzt seit 30 Jahren. MW: Und ich spiele inzwischen auf fast nur noch Barock, aber ich habe nie aufgehört, mich auch für ganz aktuelle Musik zu interessieren. Echte Moderne. Das vermisse ich etwas, das möchte ich in Zukunft mehr machen. FD: Am besten, man fragt aktuelle Komponisten, ob die nicht etwas für alte Instrumente schreiben möchten, ich glaube, das wäre wirklich sehr interessant. TH: Ihr seid jetzt seid 13 Jahren Harmonie Universelle. Was habt ihr in dieser Zeit erreicht, das euch besonders wichtig ist? FD: Wir haben uns ein sehr breites Repertoire erarbeitet. Wir haben mit Telemann angefangen, dann kam die große Liebe zum 17. Jahrhundert. Und inzwischen haben wir Leclair eingespielt, und dann sind wir größer geworden, haben Corelli und Vivaldikonzerte eingespielt und sind schließlich bei der Wiener Klassik gelandet. Wir haben in großer Orchesterbesetzung gespielt und ganz klein, als Duo, und auf diesen Reichtum bin ich wirklich stolz. TH: Und wo soll eure Reise hingehen in Zukunft? MW: Tatsächlich in die Gegenwart. Früher war es ja sehr angesagt, dass Leute, die alte Musik machen, auch neue Musik gespielt haben. Das mag etwas aus der Mode gekommen sein, aber wir wollen das auf jeden Fall machen. Tatsächlich haben wir schon mehr als eine Idee: wir haben den Komponisten Claudio Baroni gefragt, ob er nicht ein Stück für uns schreiben kann, das sich auf Telemanns Wassermusik bezieht. FD: Unsere Wurzeln werden auf jeden Fall im 17. und 18. Jahrhundert bleiben, aber die Ausflüge in die Gegenwart können uns und unser Publikum nur bereichern. Aber das ist nur ein Teil. Wir wollen insgesamt auch für die alte Musik neue Programmkonzepte entwickeln, damit wir ein möglichst breites Publikum ansprechen. Es gibt soviel zu erzählen, das braucht keinem Spezialistenpublikum vorbehalten bleiben, das geht wirklich alle an. Und die herkömmliche Konzertform ist oft wirklich zu eingeschränkt. Wir müssen uns eine Menge Gedanken machen, um unser Publikum zu erreichen. MW: Zum Beispiel mit einem Mischung aus bekannten und unbekannten Stücken. Ich persönlich werde nie müde, Bachs „Brandenburgische Konzerte“ zu spielen. Das ist herrliche Musik. Aber es gibt eben auch in der Vergangenheit noch unheimlich viel zu entdecken. Und genau das werden wir auch in Zukunft tun. TH: Viel Erfolg dabei! |